Geschlechterrollenkritik

Therese Huber (geb. Heyne, verwitwete Forster, 1764–1829): Die Familie Seldorf. Eine Geschichte von L. F. Huber. 2 Bde.

Therese Hubers in Frankreich spielender Roman, der zunächst unter dem Namen ihres Ehemannes erschien, verbindet eine Familiengeschichte mit Ereignissen der Französischen Revolution. Die Protagonistin Sara Seldorf durchläuft eine Entwicklung von der verfolgten Unschuld zur Kämpferin für Freiheit und Gleichheit; als Soldat verkleidet schließt sie sich der Revolutionsarmee an. Der Roman reflektiert kritisch auf Geschlechterrollen und etablierte Auffassungen von Privatheit und Öffentlichkeit, Liebe und Freundschaft, Politik und Moral sowie auf die zeitgenössische politische Situation. (Kathrin Schödel)

Erscheinungsjahr: 1795

Begriff: Ehe, Familie, Französisch, Freiheit, Geschichte, Geschlechterrollen, Geschlechterrollenkritik, Liebe, Politik, Revolution, Roman

Sharon Dodua Otoo (*1972): Herr Gröttrup setzt sich hin

Die 2016 mit dem Bachmann-Preis ausgezeichnete Erzählung zeigt ein weißes deutsches Rentnerehepaar beim Frühstück. Jedem der drei Teile ist eine Leseanweisung vorangestellt; der zweite Teil wird aus der Perspektive eines Wesens erzählt, das sich in Herrn Gröttrups Frühstücksei manifestiert hat und sich weigert, hart zu werden. Themen sind die deutsche Geschichte, Geschlechterbeziehungen und kritisches Weißsein. (Sandra Folie)

Erscheinungsjahr: 2016

Begriff: Bürgertum, Erzählung, Geschichte, Geschlechterrollenkritik, kritisches Weißsein

Christa Wolf (1929–2011): Kassandra

Der innere Monolog der Seherin Kassandra im Stil der ‚subjektiven Authentizität‘ offenbart die Ohnmacht und Ablehnung der Wissenden, die so zur Repräsentantin für die patriarchale Unterdrückung der Frau umgemünzt wird. Wolfs intensive Auseinandersetzung mit der antiken Figur ist dokumentiert in ihren 1982 gehaltenen Frankfurter-Poetik-Vorlesungen (Voraussetzungen einer Erzählung: Kassandra), die in der DDR nur zensiert erscheinen durften. (Carola Hilmes)

Erscheinungsjahr: 1983

Begriff: Ehe, Erzählung, Geschlechterrollenkritik, Mythenrezeption/-korrektur in emanzipatorischer Absicht, Ohnmacht

Lu Märten (1879–1970): Torso. Das Buch eines Kindes

Der Text schildert das von Krankheit und Tod gezeichnete Aufwachsen eines Proletarier-Mädchens, gefolgt von Episoden ihrer politischen Radikalisierung als Erwachsene. Ist der erste Teil stilistisch und perspektivisch in der ersten Person des Mädchens und d.i. der Form des Geständnisromans geschrieben, übernimmt anschließend eine polyperspektivische, non-lineare Erzählweise (mit Elementen des Dramas und des Märchens). Märten betreibt eine regelrechte Auflösung der Form, um die Fetischisierung der Arbeiter:innenbiografie aufzulösen. Diese Instabilität der Form korreliert mit derjenigen der vergeschlechtlichten Subjektivität, die im Zentrum des Buches steht und deren formale Gestaltung mit utopischem Potenzial versehen wird. (Marius Reisener)

Erscheinungsjahr: 1909

Begriff: Adoleszenz, Arbeit, Armut, Drama, Ehe, Geschlechterrollenkritik, Krankheit, Märchen, Roman, Tod

Hedwig Dohm (geb. Schlesinger, 1831–1919): Werde, die du bist

Die Novelle besteht aus einer kurzen Rahmenerzählung aus der Perspektive des behandelnden Arztes in einer Psychiatrie und einer längeren Binnenerzählung in Form eines Tagebuchs. Darin reflektiert die Protagonistin – eine ältere, verwitwete Frau – ihr durch Fremdbestimmung geprägtes Leben und erzählt von ihren Selbstfindungsversuchen u.a. auf einer Italienreise. (Mareike Brandtner)

Erscheinungsjahr: 1894

Begriff: Alter, Emanzipation, Erzählung, Frühe Moderne, Geschlechterrollenkritik, Mutterschaft, Novelle, Psychiatrie, Selbstfindung, Tagebuch, Tod, Witwenschaft

Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916): Maria Stuart in Schottland. Schauspiel in fünf Aufzügen

Historiendrama und Kontrafaktur von Maria Stuart (1800), die die Vorgeschichte von Friedrich Schillers Drama in Schottland entfaltet. Maria begegnet hier als junge, zunächst gerechte und beliebte Königin, die sich durch die Liebe zu James Hepburn, dem Mörder ihres Gemahls Heinrich Darnley, zur Tyrannin wandelt. Von Hepburn und ihrem Volk verlassen muss sie schließlich zu Elisabeth ins Exil nach England fliehen. (Felix Lempp)

Erscheinungsjahr: 1860

Begriff: Drama, Ehe, Exil, Gender, Geschichte, Geschlechterrollenkritik, Kontrafaktur, Liebe, Realismus

Fanny Lewald (1811–1889): Jenny

Im Zentrum des autobiografisch fundierten Romans steht die Frage einer dreifachen Emanzipation: der Frauen, der Juden und einer umfassenden sozialpolitischen Gleichstellung. Die titelgebende, jüdische Zentralfigur lässt sich für ihren ersten Verlobten taufen, entscheidet sich dann aber gegen eine Liebe, die den Glauben an christliche Dogmen von ihr verlangt. Sie erprobt einen alternativen Lebensentwurf als eigenständige Frau und sieht Jahre später in einer Verbindung mit einem liberalen Adligen die Chance, ihre Vorstellung einer gleichberechtigten Ehe zu verwirklichen. Die entworfene doppelte Utopie – der Gleichberechtigung von christlichen und jüdischen Bürger:innen und von Männern und Frauen mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen –, weist das tragische Ende des Romans als (noch) nicht realistisch aus. (Luisa Banki)

Erscheinungsjahr: 1843

Begriff: Alter, Antisemitismus, Ehe, Emanzipation, Familie, Frauenbildung, Geschlechterrollenkritik, Judentum, Liebe, realistisch, Religion, Roman, Utopie, Vormärz

Charlotte Birch-Pfeiffer (1800–1868): Elisabeth von England. Historisches Original-Drama in fünf Acten und einem Nachspiel

Historiendrama und Kontrafaktur von Friedrich Schillers Maria Stuart (1800), die aber nicht die Hinrichtung der Konkurrentin (1587), sondern den Weg Elisabeths zur Krönung (1553) darstellt. Die höfische Intrigenhandlung ähnelt Schillers Konfliktführung, doch zeichnet Birch-Pfeiffer insbesondere Elisabeth abweichend: Die Adelige begegnet hier als junge, herrschaftskompetente und höchst gebildete Frau. (Felix Lempp)

Erscheinungsjahr: 1841

Begriff: Biedermeier, Drama, Gender, Geschlechterrollenkritik, Kontrafaktur, Realismus

Bettina von Arnim (1785–1859): Goethes Briefwechsel mit einem Kinde

Zwischen Edition und Briefroman changierendes Briefbuch, das den Originalbriefwechsel zwischen Goethe und Bettina von Arnim stilistisch bearbeitet und fiktional ergänzt. Bettinas Briefe umfassen den größten Teil der Sammlung.  Neben Beziehungsarbeit und Selbstreflexion handeln sie in episodischer Erzählweise von Wanderungen, Reisen, Gesellschaft, Kunst, Musik und Politik. (Yvonne Al-Taie)

Erscheinungsjahr: 1835

Begriff: Arbeit, Brief, Briefbuch, Briefe, Briefroman, Geschlechterrollenkritik, Kunst, Politik, Roman, Romantik

Rahel Levin Varnhagen (1771–1833): Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde

Umfangreiche Briefsammlung, in der sich radikal subjektive Reflexionen der eigenen Lebensumstände als bildungshungrige, jüdische, lange unverheiratete Frau ebenso finden wie Diskussionen von Literatur, Kunst, Philosophie und Politik. Das (Brief-)Schreiben Rahel Levin Varnhagens ist zum einen bestimmt von dialogischem Denken, wie es auch das gesellige Gespräch im sogenannten Salon charakterisierte; zum anderen dachte sie bereits früh an eine aus allein ihren Briefen bestehende ‚Original-Geschichte‘ und sammelte ihre Briefe seit den 1790er Jahren. Das gemeinsam konzipierte Buch gab nach ihrem Tod ihr Ehemann Karl August Varnhagen von Ense heraus. (Luisa Banki)

Erscheinungsjahr: 1834

Begriff: Bildung, Brief, Briefe, Dialog, Ehe, Frauenbildung, Geschichte, Geschlechterrollenkritik, Gespräch, Judentum, Kunst, Literaturkritik, Politik, Theater, Tod

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