Fragment

Caroline von Wolzogen (1763–1847): Der leukadische Fels

Das Dramenfragment in Blankversen erschien anonym in Schillers Neuer Thalia. Die Protagonistin Lidia ist zwar verliebt, doch soll sie eine von ihrem Vater initiierte Ehe mit einem anderen Mann eingehen. Dieser Eheschließung sich widersetzend und in dem falschen Glauben, dass ihr Geliebter ihre Gefühle nicht erwidert, will sie ihr gebrochenes Herz – wie dem antiken Stoff zufolge Sappho – durch den Sprung vom Felsen Leukade erlösen. Noch bevor sie dies in die Tat umsetzen kann, bricht der Dramentext ab, über dessen Ausgang sich die Autorin nie äußerte. Reich an intertextuellen Verweisen auf antike wie zeitgenössische Vorlagen stellt der Text eines der wenigen klassizistischen Dramen von Frauen aus der Zeit der Weimarer Klassik dar. (Delf Lützen)

Erscheinungsjahr: 1792

Begriff: anonym, Antikenrezeption, Drama, Ehe, Fragment, Liebe, Liebesbeziehung, Weimarer Klassik

Sibylla Schwarz (1621–1638): Deutsche Poetische Gedichte

Posthum erschienene Sammlung der Werke der als ‚pommersche Sappho‘ gerühmten Sibylla Schwarz, die die Dichterin nicht nur im versierten Umgang mit der abendländischen Tradition (Petrarkismus, Schäferdichtung u.a.) zeigt, sondern auch als innovative Opitzianerin der ersten Stunde. Enthalten sind Kasualgedichte, selbständige Lyrik, ein Dramenfragment, geistliche Dichtung sowie poetologische Korrespondenz. (Klaus Birnstiel)

Erscheinungsjahr: 1650

Begriff: Fragment, Kasualdichtung, Lyrik, Opitz-Rezeption, Petrarkismus, Posthum, Sonett

Kathrin Röggla (*1971): wir schlafen nicht

Der Roman, bestehend aus Interviewfragmenten, denen laut Klappentext Gespräche mit realen Personen zugrunde liegen, ist im Diskurs um die New Economy verortet. Handlungsort ist eine Messe, auf der u.a. eine Key Account Managerin, eine Praktikantin und ein Senior Associate von der räumlichen und zeitlichen Entgrenzung ihrer Arbeit und der damit einhergehenden Erschöpfung berichten. (Marcella Fassio)

Erscheinungsjahr: 2004

Begriff: Arbeit, Ehe, Erschöpfung, Fragment, Gespräch, Interview, Neoliberalismus, politischer Roman, Roman, Selbstoptimierung

Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848): Ledwina

Das posthum erschienene Prosafragment verhandelt Weiblichkeit, Tod und Krankheit, Poesie und Kreativität. Neben familiären Konversationsszenen stehen vor allem die gleichnamige moribunde, in Drostes Briefkommentaren als schwindsüchtig bezeichnete Protagonistin und ihre Visionen, Imaginationen und Träume im Fokus. Diese verweisen einerseits auf Bildwelten des Volksaberglaubens, andererseits rücken sie Ledwina in die Nähe zeitgenössisch populärer, ins literarische Gedächtnis eingegangene visionäre Kranke wie Anna Katharina Emmerick oder Friederike Hauffe. (Vanessa Höving)

Erscheinungsjahr: entstanden ab 1819

Begriff: Biedermeier, Brief, Ehe, Fragment, Imagination, Krankheit, Poesie, Posthum, Prosa, Tod, Weiblichkeit

Karoline von Günderrode (1780–1806): Hildgund

Lesedrama, das die im Nibelungenstoff und in der Walthersage marginalisierte Burgundentochter Hildgund ins Zentrum der Handlung stellt und den Versuch der Protagonistin nachzeichnet, sich in einer patriarchalen Weltordnung gegen die (Diskurs-)Macht von Vater, Ehemann und Tyrann (Attila) zu behaupten; das Drama führt die gesellschaftlichen und politischen Zwänge vor Augen, die den Aktionsradius aller Dramenfiguren im Horizont (alt/väterlicher) Erb- und Ehrpflichten determinieren und lässt am Ende fragmentarisch offen, ob Hildgund sich selbst und die unterjochten Länder von Attilas Herrschaft durch ein Mordkomplott befreit. (Frederike Middelhoff)

Erscheinungsjahr: 1805

Begriff: Drama, Ehe, Fragment, Freiheit, Geschlechterrollenkritik, Gewalt, Politik, Romantik

Dorothea Schlegel (1764–1839): Florentin

Romanfragment, herausgegeben von Friedrich Schlegel, das in achtzehn Kapiteln die Geschichte des Jünglings Florentin erzählt, der auf dem Weg nach Amerika und der Suche nach seinen leiblichen Eltern Freundschaft mit einer adeligen Familie schließt und anhand verschiedener Begegnungen Fragen nach Ehekonzepten und weiblichen Lebensmodellen reflektiert. Enthält für den romantischen Roman gattungstypisch Lieder, Briefe und ein Schauermärchen. (Yvonne Al-Taie)

Erscheinungsjahr: 1801

Begriff: Brief, Briefe, Ehe, Familie, Fragment, Geschichte, Geschlechterrollenkritik, Märchen, Roman, Romanfragment, Romantik

Rahel Levin Varnhagen (1771–1833): Tagebücher und Aufzeichnungen

Die 13 Hefte „Tagebücher” plus die „Konvolute und lose Blätter” über rund 600 Druckseiten sprengen die Gattungskonventionen. Nicht alle Einträge sind datiert, wenige enthalten ausschließlich Persönliches – vielmehr handelt es sich um Aphorismen und (philosophische) Fragmente. Levin Varnhagen räsoniert über Wahrheit und Lüge, Anthropologie, Tagespolitik, Oper oder Berühmtheiten. Auf Deutsch und teilweise Französisch werden Exzerpte der eigenen Lektüren notiert und Texte anderer kritisiert. (Martina Wernli)

Erscheinungsjahr: 1799–1825/2019

Begriff: Aphorismen, Fragment, Französisch, Literaturkritik, Politik, Tagebuch

Caroline von Wolzogen (1763–1847): Agnes von Lilien

Anonym in Schillers „Horen“ publiziert; damals viel beachtet und diskutiert; die Autorschaft wurde u.a. Goethe zugeschrieben. An Wendungen, Geheimnissen und Missverständnissen reicher Roman in zwei Teilen, der Fragment blieb; verfasst in Ich-Form mit vielen intertextuellen Bezügen und durchaus modernen Elementen (erlebte Rede und innerer Monolog, unterschiedliche Stilebenen und unterhaltungsliterarische Bestandteile). Th. Anz, Hrsg. der Neuauflage 2005, spricht von einem „vergessenen Dokument der Gefühls- und Reflexionskultur im ausgehenden 18. Jahrhundert.” (Carola Hilmes)

Erscheinungsjahr: 1796/1797

Begriff: anonym, autofiktional, Autorschaft, Ehe, Fragment, Geschlechterstereotypen, Konvenienzehe, psychologisch differenzierte Charaktere, Roman, Romanfragment, Romantik, romantische Liebe, schöne Seele

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