Bildung

Ottilie Wildermuth (1817–1877): Bilder und Geschichten aus Schwaben (2 Bde.)

Dieses Werk machte Ottilie Wildermuth im ganzen deutschsprachigen Raum berühmt. Ihre schonungslos ehrlichen Schilderungen aus dem Alltag des württembergischen Bildungsbürgertums geben bis heute wertvolle und amüsante Einblicke in das kleinstädtische Leben Alt-Württembergs. Vielfach beschrieb Wildermuth das Leben ihrer Vorfahrinnen, indem sie auf tradierte Familienerzählungen zurückgriff. Zwei Zyklen aus dem Werk, Schwäbische Pfarrhäuser und Hagestolze, wurden 1908 sogar in „Reclams Universalbibliothek“ aufgenommen. (Jonathan Schilling)

Erscheinungsjahr: 1852 (Bd. 1), 1854 (Bd. 2)

Begriff: Bürgertum, Bestseller, Bildung, Bildungsbürgertum, Dorfgeschichte, Erzählung, Erzählungen, Familie, Genrebilder, Geschichte, Ständegesellschaft, Württemberg

Elsa Asenijeff (1868–1941): Tagebuchblätter einer Emanzipierten

Eine Frau lässt sich scheiden und beginnt ein Studium in Leipzig. Ihre Gedanken werden in einem Tagebuch festgehalten, wobei die Autorin gesellschaftskritisch auf die Situation der Geschlechter eingeht. Das Buch wurde als Antwort auf das Pamphlet „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ (1900) von Paul Julius Möbius gesehen. Autobiografische Bezüge zu Asenijeffs eigenem Leben sind verarbeitet. (Annette Kliewer)

Erscheinungsjahr: 1902

Begriff: Arbeit, autobiografisch, Bildung, Ehe, Emanzipation, Sexualität, Studium, Tagebuch, Vergewaltigung

Elsa Asenijeff (1868–1941): Ist das die Liebe? Kleine psychologische Erzählungen und Betrachtungen

In kurzen Prosaskizzen kritisiert die Autorin die Mädchenerziehung, die dazu führt, dass Frauen nur für die Bedürfnisse ihrer künftigen Ehemänner abgerichtet werden und keine wirkliche Bildung erlangen. Damit wird die bürgerliche Doppelmoral kritisiert, die von den Männern sexuelle Erfahrungen erwartet, den Frauen aber abverlangt, dass sie keusch in die Ehe gehen. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern müssen daher scheitern. Asenijeff war die Muse und Geliebte des Künstlers Max Klinger, ihre Schriften wurden meistens übersehen. (Annette Kliewer)

Erscheinungsjahr: 1896

Begriff: Bildung, Doppelmoral, Ehe, Erzählung, Erzählungen, Erziehung, Gericht, Liebe, Mädchenbildung, Prosa, Sexualität, Vergewaltigung

Kim de L’Horizon (*1992): Blutbuch

Der autofiktionale Roman handelt von der Suche einer non-binären Hauptfigur nach einer eigenen Geschichte und Identität, die sich inhaltlich in einer Beschäftigung mit Fragen der Herkunft (frauenbasierte Stammbäume, u.a. Hexen- und Baumchroniken, Bildungs(un)gerechtigkeit und emanzipatorisches Schreiben) und formal als fluider, mehrsprachiger ,Textkörper‘ manifestiert. (Natalie Moser)

Erscheinungsjahr: 2022

Begriff: Autofiktion, autofiktional, Bildung, Familienroman, Gegenwartsliteratur, Gender, Geschichte, Identitätssuche, Körper, Non-Binarität, Roman, Sexismus

Theodor Michael (1925–2019): Deutsch sein und Schwarz dazu. Erinnerungen eines Afro-Deutschen

Michael, der 1925 in Berlin geboren wurde, schildert in diesem Memoir seine Geschichte als Sohn eines Kameruner „Kolonialmigranten” und einer weißen Mutter. Als Kind wurde er als Teil einer “Völkerschau” im Zirkus ausgestellt. Ab 1934 wuchs er als Waise bei Pflegeeltern auf, durfte aus rassistischen Gründen keine Ausbildung machen und wurde 1943 in einem Arbeitslager interniert. In der Nachkriegszeit arbeitete Michael als Fachmann für afrikanische Fragen. (Martina Wernli)

Erscheinungsjahr: 2013

Begriff: Afrika, Arbeit, Bildung, Geschichte, Internierung, Kolonialismus, Nachkriegszeit, Rassismus, Völkerschau, Zirkus

Dualla Misipo (1901–1973): Der Junge aus Duala. Ein Regierungsschüler erzählt…

Die Mischung aus (postkolonialem) Roman, Autobiografie und Ethnografie ist aus der Perspektive des kamerunischen Leichtathleten und Medizinstudenten Ekwe Njembele erzählt, der vor dem Ersten Weltkrieg zu Ausbildungszwecken nach Deutschland kam. Die Rahmenerzählung wird häufig durch Erinnerungen des erwachsenen Erzählers an seine Kindheit in der deutschen Kolonie Kamerun unterbrochen. 1973 (Erstpublikation; Kraus Reprint); 2022 (neue Ausgabe; Rüdiger Köppe Verlag). (Sandra Folie)

Erscheinungsjahr: 1920er–1960er (verfasst); 1973 (Erstpublikation); 2022 (neue Ausgabe)

Begriff: Autobiografie, Bildung, Erzählung, Kolonialismus, Liebesbeziehung zwischen einem Schwarzen Mann und einer weißen Frau, Medizin, Migration, Rassismus, Roman, Schwarze deutsche Literatur

Karl Emil Franzos (1848–1904): Der Pojaz. Eine Geschichte aus dem Osten

Posthum publizierter Bildungsroman, der das Leben des galizischen Juden Sender Glatteis beschreibt. Dabei wird die bittere Armut im Ghetto von Barnow und die vielfache Ausgrenzung dargestellt, allerdings auch die Faszination für das Theater, die Sender Glatteis, der sich als Bajazzo, jiddisch Pojaz sieht, früh erfasst. Der Roman betrachtet die orthodoxen Rabbiner, die Vertreter der k.u.k. Monarchie wie auch die polnischen Großgrundbesitzer mit einem kritischen Blick. (Martina Wernli)

Erscheinungsjahr: 1905

Begriff: (Ost-)Judentum, Armut, Bildung, Bildungsroman, Geschichte, Ghetto, Posthum, Roman, Theater

Hedwig Dohm (geb. Schlesinger, 1831–1919): Christa Ruland

Der dritte Teil einer Romantrilogie, die drei Frauengenerationen verhandelt, ist eingebettet in zeitgenössische Kunst- und Kulturdiskurse um 1900. Der Text schildert die Emanzipationsbestrebungen der bourgeoisen Protagonistin als Übergangsgeschöpf der Jahrhundertwende, dem ohne ausreichende Bildung die Möglichkeiten der eigenen Lebensgestaltung verstellt sind. Der Roman ist zudem eng verknüpft mit Dohms Positionierung in der Frauenbewegung. (Marcella Fassio)

Erscheinungsjahr: 1902

Begriff: Bildung, Emanzipation, Familie, Frauenbewegung, Jahrhundertwende, Kunst, Realismus, Roman

Minna Kautsky (geb. Jaich, 1837–1912): Helene

In diesem dreiteiligen Bildungsroman mit weiblicher Hauptfigur fokussiert Kautsky verschiedene zeitgenössische Diskurse wie jenen um die Frauenfrage bzw. das nervöse/ hysterische Geschlecht sowie den Klassenkampf. Helene wird jung und unaufgeklärt verheiratet, leidet unter der Ehe und am Tod des Kindes. „Gesund wird sie durch ihren Einsatz für bürgerliche Ideale. Herausgestellt wird die These, dass die gesellschaftliche Unterdrückung der bürgerlichen Frau zu nervlicher Schwäche führt. Das Proletariat wird als ,gesunder’ Gegenentwurf etabliert. (Iris Schäfer)

Erscheinungsjahr: 1894

Begriff: Bürgertum, Bildung, Bildungsroman, Ehe, Erschöpfung, Erwerbsarbeit, Frauenbildung, Frauenrechte, Identitätssuche, Krankheit, Mutterschaft, Politik, Roman, sexuelle Gewalt, Tod

Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916): Das Gemeindekind

Von der Autorin als Erzählung kategorisiert, weist sie zugleich Elemente einer Novelle, des Bildungsromans und des Krimis auf. Am Beispiel des Gemeindekinds Pavel Holub wird über einen Zeitraum von zehn Jahren (1860-1870) beobachtet, inwiefern ein schwer stigmatisierter Jugendlicher die Vorurteile der Gesellschaft und sein problematisches Milieu überwinden kann. Das Wunder, das Ebner-Eschenbach inszeniert: Es kann klappen, ungeachtet einer verurteilungswütigen Masse und maroder karitativer Institutionen (vor allem der Kirche). Psychologisch versiert und in Teilen von einem düsteren Naturalismus durchwoben, reflektiert die Erzählung über Aufstiegschancen unter den denkbar schlechtesten Bedingungen, wobei im Individuellen stets Hoffnung liegt – sowohl als Hilfe von Einzelnen als auch in Form von komplexen psychologischen Wendungen. (Raphael Stübe)

Erscheinungsjahr: 1887

Begriff: Bildung, Bildungsroman, Diskriminierung, Erzählung, Familie, Milieustudie, Naturalismus, Novelle, Realismus, Roman, Stereotype, Trauma

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