Gericht

Elsa Asenijeff (1868–1941): Ist das die Liebe? Kleine psychologische Erzählungen und Betrachtungen

In kurzen Prosaskizzen kritisiert die Autorin die Mädchenerziehung, die dazu führt, dass Frauen nur für die Bedürfnisse ihrer künftigen Ehemänner abgerichtet werden und keine wirkliche Bildung erlangen. Damit wird die bürgerliche Doppelmoral kritisiert, die von den Männern sexuelle Erfahrungen erwartet, den Frauen aber abverlangt, dass sie keusch in die Ehe gehen. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern müssen daher scheitern. Asenijeff war die Muse und Geliebte des Künstlers Max Klinger, ihre Schriften wurden meistens übersehen. (Annette Kliewer)

Erscheinungsjahr: 1896

Begriff: Bildung, Doppelmoral, Ehe, Erzählung, Erzählungen, Erziehung, Gericht, Liebe, Mädchenbildung, Prosa, Sexualität, Vergewaltigung

Mela Hartwig (geb. Melanie Hess, verh. Spira, 1893–1967): Der Phantastische Paragraph

Die Novelle nimmt den juridischen und medizinischen Diskurs um Abtreibung der 20er Jahre auf. Die Auswirkungen des Abtreibungsparagraphen, wie die Pathologisierung und Kriminalisierung von Frauen, werden anhand der Scheinschwangerschaft der Protagonistin Sabine Seltsam dargestellt. Anhand unterschiedlicher institutionalisierter Figuren (Hebamme, Arzt, Richter) wird das patriarchale System und weibliche Komplizenschaft vorgeführt. (Marcella Fassio)

Erscheinungsjahr: 1928

Begriff: Abtreibung, Gericht, Medizin, Novelle, Schwangerschaft, Weimarer Republik

Lou Andreas-Salomé (1861–1937): Fenitschka

Zentrum der Erzählung (vö. m. Eine Ausschweifung) bildet die intensive Bekanntschaft der studierten und verlobten Fenitschka Iwánownas mit dem Psychologieabsolventen Max Werner im Paris des Fin de Siècle. Entlang der Geschichte Fenias potenzieller Emanzipierung werden die an Weiblichkeit gerichteten sozialen Erwartungen und Hoffnungen zur Disposition gestellt. Der Erzählanlage legt Andreas-Salomé indes ein biologisch begründetes Verständnis von Heim, Gemeinschaft und Familie zugrunde. (Marius Reisener)

Erscheinungsjahr: 1898

Begriff: Emanzipation, Erzählung, Familie, Gericht, Geschichte, Weiblichkeit, Zuhause

Johanna Spyri (1827–1901): Der Toni von Kandergrund

Die Erzählung zeigt einen Jungen, der aufgrund von traumatischen Erlebnissen (Vaterverlust, Kinderarbeit, Einsamkeit, beängstigende Naturereignisse) die Sprache verliert, apathisch wird und in eine Klinik geschickt werden muss. Dass und wie ihm geholfen werden kann, wird unaufdringlich, aber eindrücklich erzählt – und dies in einer Zeit, in der psychische Erkrankungen in den neu eingerichteten Kliniken zu behandeln versucht werden, Patient:innen also in Institutionen untergebracht werden. (Martina Wernli)

Erscheinungsjahr: 1882

Begriff: Arbeit, Erzählung, Gender, Gericht, Psychiatrie, Sprache, Trauma

Amalie Berg (Pseudonym für Johanna Caroline Amalia Ludecus, geb. Kotzebue, 1755–1827): Johanne Gray. Trauerspiel in fünf Aufzügen

Das in jambischen Blankversen verfasste Historiendrama zeichnet das Schicksal der englischen Königin Johanne (Lady Jane Grey Dudley, 1537–1554) nach, die von ihrer Thronrivalin Maria Tudor (1516–1558) gestürzt und hingerichtet wird. In dem staatspolitisch und religiös begründeten Konflikt wird die glaubensstarke protestantische Titelheldin in ihrer menschlich-moralischen Charakterstärke und harmonischen Seelenschönheit gezeigt. Amalie Berg präsentiert eine komplexe Frauenfigur, die als Tochter, Gattin, Königin und entmachtete Herrscherin verschiedene gesellschaftliche Rollen ausfüllt und dabei auf eine selbstbestimmte Weise zu agieren bestrebt ist. Das Trauerspiel Johanne Gray ragt im Werk Amalie Bergs als das einzige Theaterstück der Weimarer Autorin hervor; seit 2022 liegt es in einer Neuedition vor. (Anna Ananieva)

Erscheinungsjahr: 1806

Begriff: Drama, Gericht, Geschichte, Politik, Pseudonym, Selbstbestimmung, Theater, Tod, weibliche Machtausübung

Nach oben scrollen