1909

Else Jerusalem (geb. Elsa Kotànyi, 1876–1943): Der heilige Skarabäus. Prostituierten-Roman 

In dem 700-seitigen Roman kritisiert die Autorin die Kasernierung der Prostituierten im Kaiserreich, dabei setzt sie sich auch von den Stereotypen ab, die naturalistische Schriftsteller entwarfen. Milada wächst mit ihrer Mutter im Milieu auf und wird selbst zur Prostituierten, die sich aber als Besitzerin eines Bordels hocharbeitet. Sie verliebt sich in einen Freier, der ihr die Heirat verspricht. Als sie merkt, dass auch er sie nur ausnutzen möchte, lässt sie sich von seinem Vater eine hohe Summe auszahlen, um die unstandesgemäße Verbindung aufzulösen und eröffnet auf dem Land ein Asyl für Kinder aus ihrem Milieu. Der „Unsittenroman“ wurde mit einem Skandal aufgenommen, hatte bis 1911 rund 22 Auflagen, wurde 1928 verfilmt und 1933 verboten. (Annette Kliewer) 

Erscheinungsjahr: 1909

Begriff: Doppelmoral, Geld, Prostitution, Roman

Lu Märten (1879–1970): Torso. Das Buch eines Kindes

Der Text schildert das von Krankheit und Tod gezeichnete Aufwachsen eines Proletarier-Mädchens, gefolgt von Episoden ihrer politischen Radikalisierung als Erwachsene. Ist der erste Teil stilistisch und perspektivisch in der ersten Person des Mädchens und d.i. der Form des Geständnisromans geschrieben, übernimmt anschließend eine polyperspektivische, non-lineare Erzählweise (mit Elementen des Dramas und des Märchens). Märten betreibt eine regelrechte Auflösung der Form, um die Fetischisierung der Arbeiter:innenbiografie aufzulösen. Diese Instabilität der Form korreliert mit derjenigen der vergeschlechtlichten Subjektivität, die im Zentrum des Buches steht und deren formale Gestaltung mit utopischem Potenzial versehen wird. (Marius Reisener)

Erscheinungsjahr: 1909

Begriff: Adoleszenz, Arbeit, Armut, Drama, Ehe, Geschlechterrollenkritik, Krankheit, Märchen, Roman, Tod

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