Gewalt

Anna Seghers (Pseudonym für Netty Reiling; 1900–1983): Aufstand der Fischer von St. Barbara

Der Sozialrevolutionär Hull, eine charismatische Außenseiterfigur, wie sie für das Frühwerk von Seghers charakteristisch ist, stiftet die stark ausgebeuteten Fischer zum Aufstand an, der mit Gewalt von der Staatsmacht niedergeschlagen wird. Dieser kleine, episodenhafte Roman erschien unter dem Pseudonym A. Seghers u. wurde 1929 mit dem Kleistpreis ausgezeichnet. (Carola Hilmes)

Erscheinungsjahr: 1928

Begriff: Erlöserfiguren, Erzählung, expressionistisch, Gesellschaftskritik, Gewalt, kleiner Roman, Pseudonym, realistisch, Revolution, Roman

Margarete Böhme (geb. Feddersen, in zweiter Ehe verh. Schlüter, 1867–1939): Tagebuch einer Verlorenen. Von einer Toten

Der Roman, der in der Herausgebernotiz von Böhme als authentisches Tagebuch einer Prostituierten ausgegeben wird, verbindet Sozialkritik und die Darstellung von Sexualität. Er schildert sexuelle Gewalt, ledige Mutterschaft und Prostitution. Während der Roman nach der Publikation vielfach verkauft, rezensiert und dreimal als Stummfilm verfilmt wurde, geriet er in den 1930ern in Vergessenheit. (Marcella Fassio)

Erscheinungsjahr: 1905

Begriff: Ehe, Gewalt, Herausgeberfiktion, Mutterschaft, Prostitution, Roman, Sexualität, sexuelle Gewalt, Sozialkritik, Tagebuch

Helene Böhlau (verh. al Raschid Bey, 1856–1940): Halbtier!

Der Emanzipationsroman schildert die Versuche der Protagonistin nach Selbstbestimmung als Frau und Künstlerin und rechnet mit patriarchalen Geschlechterverhältnissen ab. Zentral ist die Darstellung von gewaltvollen Familienstrukturen, die vor allem anhand der Figuren der Schwester und der Mutter vorgeführt werden. Teile des Manuskripts mussten aufgrund der Drastik der Schilderungen von u.a. Geburt auf Wunsch des Verlegers gestrichen werden. (Marcella Fassio)

Erscheinungsjahr: 1899

Begriff: Emanzipation, Familie, Geburt, Gewalt, Künstlertum, Mutterschaft, Naturalismus, Roman, Selbstbestimmung, sexuelle Gewalt

Louise Franziska Aston (1814–1871): Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung

Rechtfertigungsschrift. Im März 1846 wird Aston ihre Ausweisung aus Berlin zugestellt – die Gründe: Sie habe Ideen geäußert, die die öffentliche Ordnung stören. Daneben stört aber auch Astons Auftreten in Männerkleidung, sie verhalte sich unsittlich und gotteslästernd. Aston greift die Vorwürfe auf, womit der dreiteilige Text auch das Ereignis selbst, die Vorwürfe und den Verlauf ihrer Geschichte dokumentiert. Aston argumentiert gegen diese Anschuldigungen, wobei sie von Beginn an die patriarchalen Strukturen der Systeme anklagt und sich gegen eine Gewalt zwischen Mann und Frau stellt, wie sie sie in der Ehe vorfindet, in der die freie Persönlichkeit der Frau zum Eigentum erklärt werde. Aston argumentiert gegen die Schuldzuweisung und für freie Meinungsäußerung. Sie bettet ihre Briefe ein, in denen sie sich als preußische Untertanin an Minister und König wendet, ihren Gehorsam beteuert aber darauf besteht, dass durch „Zigarrenrauchen wohl nicht eine Idee“ verbreitet werde und zudem die Idee oder Meinungsäußerung keine staatsgefährdende Tat, sondern das Äußern „das unbestrittene Recht jedes Menschen“ sei und nur vor das Forum des Gewissens gehöre. Der Text zeigt sich damit als Streitschrift für gleiche und freie Rechte. In ihrer eigenen Causa wendet Aston sich zum Textschluss an das Volk als ihr Richter. (Sabrina Huber)

Erscheinungsjahr: 1846

Begriff: Brief, Briefe, Ehe, Ehekritik, Emanzipation, Geschichte, Gewalt, Gott, Menschen, Rechtfertigungsschrift, Revolution 1948, Streitschrift, Vormärz

Luise Mühlbach (Pseudonym für Clara Mundt, geb. Müller, 1814–1873): Das fluchbeladene Haar

Die Binnenerzählung der Novelle entfaltet eine Geschichte kolonialer Schuld anhand eines Fluchs, der sich über mehrere Generationen einer britischen Familie erstreckt und diese schließlich auslöscht: Hatte die – selbst mütterlicherseits von Schwarzen abstammende – Ahnherrin in der Karibik eine Sklavin gezwungen, ihre Tochter mit ihren Haaren zu Tode zu peitschen, so gehen die nachfolgenden Generationen sämtlich an ihren Haaren zugrunde. Die Erzählung vom Niedergang der Familie – mit genretypischen Effekten des Schauers – ist aufgrund der Abstammung der Schuldigen unter rassismuskritischen Gesichtspunkten nicht ohne Ambivalenz, war gleichwohl offensichtlich provokant, sodass in der Journalversion eine zweite Rahmenerzählung die Drastik der geschilderten kolonialen Gewalt (vorgeblich?) zur Humoreske abzuschwächen versucht. (Florian Kappeler)

Erscheinungsjahr: 1844 (Erstpublikation in Zeitschriften; Novellensammlung: 1846)

Begriff: Degeneration, Ehe, Erzählung, familiäre Erbschuld, Familie, Geschichte, Gewalt, Humor, Kolonialismus, Novelle, Rassismus, Schauerliteratur, Tod

Regina Frohberg (geb. Rebecca Salomon, verheiratete Friedländer, später Saaling, 1783–1850): Schmerz der Liebe

Der Titel dieses ungewöhnlichen, sentimentalen Romans ist insofern wörtlich zu verstehen, als dass der Knotenpunkt der Erzählung die Vergewaltigung einer bewusstlosen jungen Frau ist. Der Roman zeichnet das tragische Schicksal der Protagonistinnen und des Protagonisten nach, die sich am Widerstreit zwischen Verlangen, Konvention und dem alles beherrschenden Wunsch nach Liebe aufreiben. (Greta Lansen)

Erscheinungsjahr: 1810

Begriff: Ehe, Erzählung, Geschlechterrollenkritik, Gewalt, Liebe, Roman, sentimentaler Roman, sexuelle Gewalt, Vergewaltigung

Karoline von Günderrode (1780–1806): Hildgund

Lesedrama, das die im Nibelungenstoff und in der Walthersage marginalisierte Burgundentochter Hildgund ins Zentrum der Handlung stellt und den Versuch der Protagonistin nachzeichnet, sich in einer patriarchalen Weltordnung gegen die (Diskurs-)Macht von Vater, Ehemann und Tyrann (Attila) zu behaupten; das Drama führt die gesellschaftlichen und politischen Zwänge vor Augen, die den Aktionsradius aller Dramenfiguren im Horizont (alt/väterlicher) Erb- und Ehrpflichten determinieren und lässt am Ende fragmentarisch offen, ob Hildgund sich selbst und die unterjochten Länder von Attilas Herrschaft durch ein Mordkomplott befreit. (Frederike Middelhoff)

Erscheinungsjahr: 1805

Begriff: Drama, Ehe, Fragment, Freiheit, Geschlechterrollenkritik, Gewalt, Politik, Romantik

Sophie Albrecht (1757–1840): Theresgen. Ein Schauspiel mit Gesang

Singspiel in direkter Traditionslinie des bürgerlichen Trauerspiels. Der Text macht das Leben und den tragischen Tod der weiblichen Titelfigur zum Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Dabei justiert die Dramatikerin Albrecht die Gattung mit Blick auf class und gender neu: Das soziale Milieu ist weniger bürgerlich, sondern bäuerlich, die männlichen Figuren sind ostentative Aggressoren, die weiblichen Figuren sind nicht nur Opfer männlicher Gewalt, sondern vertreten autonome Positionen. (Frederike Middelhoff)

Erscheinungsjahr: 1781

Begriff: Bürgertum, Drama, Empfindsamkeit, Familie, Gender, Gewalt, Sturm und Drang, Tod

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